Springe zum Inhalt

Filmtipp: Amy

Am 23. Juli 2011 trat eine Sängerin von der Bühne ab, deren Stimme bis heute Gänsehaut verursachen kann. Die aber auch durch ihre Drogen- und Alkoholexzesse immer wieder in den Schlagzeilen landete. Eine sehenswerte Doku rollt nun noch einmal das kurze pralle Leben von Amy Winehouse auf.

Das Ende ist bereits bekannt, wenn die ersten Bilder auf der Kinoleinwand zu sehen sind und diese einprägsame Soulstimme die ersten Takte singt. Zweifellos hätte Amy Winehouse eine der ganz Großen werden können, hätte sie nur mehr Zeit gehabt. Am 23. Juli 2011 wurde sie Mitglied im „Club 27“, dem bereits berühmte Kollegen wie Janis Joplin, Jim Morrison oder Kurt Cobain beigetreten sind. Denn alle wurden nicht älter als 27. Und wie sie, lebte Amy ein Leben auf der Überholspur, talentiert und exzessiv. Aber etwas ist anders. Ihr kurzes Leben ist so dokumentiert, wie kaum ein anderes, dieser Stars vorher.

Akif Kapadias Dokumentation „Amy – The Girl Behind The Name“ besteht zum größten Teil aus privatem Filmmaterial. Verwackelte Handyaufnahmen, Videos, die Freunde und Kollegen drehten und nur wenige der bekannten offiziellen Bilder von ihr.

Kapadia schafft damit eine sehr dichte Atmosphäre. Denn er verzichtet in seiner zweistündigen Doku darauf, seine unzähligen Interviewpartner zu zeigen - darunter auch Amys Ärztin Dr. Cristina Romete und Freunde, die sich bislang noch nie öffentlich geäußert haben. Ihre Aussagen unterlegt er lieber mit Bildern. So ist Amy immer präsent.

Berühmt, so erfahren wir, wollte Amy eigentlich nie sein. Singen, ja – das wollte sie. Unbedingt! Ihre spätere Bühnenpräsenz ist bereits zu erahnen, als sie mit Freundinnen einem Kumpel ein Geburtstagsständchen bringt.

Das Verhältnis zu ihrem Vater Mitch, der früh die Familie verließ und sie zeitweise gegen Ende ihrer Karriere sogar managte, ist so eng, wie schwierig für Amy. Wie sie später in ihrem Riesenhit Rehab singt, entschied sie sich gegen eine Entzugsklinik, weil ihr Daddy fand, sie sei okay. Er wiederum hatte kein Problem damit, seiner Tochter während eines Urlaubs, in dem sie sich nach einem Extremabsturz endlich wieder körperlich wie seelisch wieder zurück ins Leben kämpfte, mit einem TV-Team auf die Pelle zu rücken und sie vor laufender Kamera zu maßregeln, ruppig mit Fans umgegangen zu sein.

Auch die Beziehung zu ihrem Ehemann Blake ist alles andere als positiv. Er treibt die Sängerin immer mehr in die Drogenabhängigkeit und die selbst zerstörerische Abwärtsspirale, die das dramatische Ende schon ahnen lässt. Die Öffentlichkeit und die Medien sind immer mit dabei.

Umso spannender die Einblicke in das, was Amy als Künstlerin auszeichnete, ihr Gefühl für gute Songs. Die Texte beschreiben, was sie fühlte und erlebte. Die musikalische Umsetzung bewegt sich irgendwo zwischen Blues, R & B und dem Soul der 60er Jahre, mit einem Hauch Jazz. Handgemacht und mit starker Stimme gesungen. Besonders am Anfang, als die Winehouse noch vor kleinem Publikum in der intimeren Atmosphäre von Clubs auftrat, packte sie ihr Publikum durch ihre enorme Bühnenpräsenz.

Ihren Style mit Turmfrisur und Kleopatra-Make up, hat sie sich bei der geliebten Oma abgeschaut. Im Film ist ein Foto von ihrer Grandma in den frühen Sixties zu sehen, das Vorlage für Amys späteres optisches Image gewesen sein wird.

Ist „Amy“ nur ein Film für Fans? Definitiv Nein! Es ist eine handwerklich gut gemachte Dokumentation über eine Sängerin, die Zeit in der sie lebte und das Musikgeschäft. Die auch zeigt, wie die Medien funktionieren, die einen Menschen von jetzt auf gleich zum Star machen und genauso schnell zur Lachnummer degradieren können.

Denn das ist das eigentlich Bewegende dieses Films. Irgendwie haben alle ihren Anteil an diesem Drama um Amy Winehouse. Familie, Freunde, Kollegen, die Musikindustrie, die Medien und auch die Fans. Die einen liebten sie zu sehr, um zu sehen, was offensichtlich war – dass Amy wohl schon weit vor ihrem großen Erfolg dringend Hilfe gebraucht hätte. Für andere war sie der Goldesel, den man unaufhörlich antreibt, damit die lukrative Quelle nicht zu früh versiegt. Die Medien, die sie anfangs gefeiert haben, machten sich zum Schluss einen Riesenspaß daraus, über die „versoffene Schlampe“ zu lästern. Genüsslich wurde ähnlich wie bei Whitney Houston jeder Absturz dokumentiert und ausgeschlachtet. Auch Fans können grausam sein, wenn sie viel Geld für ein Konzert hingeblättert haben und eine zugedröhnte Amy lallend über die Bühne torkelt, wollen sie natürlich ihr Geld zurück und buhen sie aus.

Ihr Freund und erster Manager Nick Shymansky bringt es schließlich auf den Punkt, wenn er sagt: Hätte Amy die Kurve gekriegt und einen Entzug gemacht, als sie noch am Anfang ihrer Karriere stand, wäre das mit mehreren Grammys ausgezeichnete Album Back To Black vielleicht nie entstanden. Sie hätte aber eine Chance haben können, eine Sängerin zu sein, die noch heute auf der Bühne stehen könnte.

Claudia Hötzendorfer

Amy – The Girl Behind The Name

Verleih. Prokino

Start: 16. Juli 2015

Länge: 127 Min.

Regie: Asif Kapadia

 

Filmseite:

http://www.amy-derfilm.de

© by Claudia Hötzendorfer 2015 – Silent Tongue Productions