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Interview: Satyam S. Kathrein – Leben wie ein Buddha

Jeder Mensch hat von seiner Seele erwählte Lebensthemen zu lösen, bevor er die Buddha-Natur erreicht, lautet die These von Satyam S. Kathrein. Der Münchner Therapeut entwickelte einen Ansatz, der helfen soll, diese Lebensthemen zu erkennen und sie als Aufgabe anzunehmen. Was die Buddha-Natur ist, welche Rolle das kollektive Bewusstsein spielt und was Satyam S Kathrein von spirituellen Meistern hält, verrät er im nachstehenden Interview.

Sie sprechen in Ihrem Buch von individuellen und kollektiven Themen, die miteinander verwoben sind. Das erinnert an das aus der Psychologie bekannte kollektive Gedächtnis. Kann man daraus den Schluss ziehen, dass es diese Verbindung immer gibt oder wissen Sie von Ausnahmen?
„Man kann sagen, dass die Verwicklung schon zwangsläufig vorhanden ist. Denn in bestimmten Zeitfenstern, an bestimmten Orten in der Welt werden bestimmte Seelen geboren, die dann genau diese Dinge individuell zu durchschreiten haben, die kollektiv ebenfalls Thema sind. Ein Beispiel ist etwa das Dritte Reich und heutzutage die Ereignisse in Afghanistan, Irak, Amerika oder Deutschland. Und zwar in einem wirklich schicksalhaften unschönen, aber auch wunderbaren Zusammenhang. Die Seelen kommen dabei zusammen, wie Zahnräder, die ineinander greifen. So funktionieren auch die universellen Gesetze, wie ich sie verstanden habe.“

Können Sie Hauptthemen ausmachen, die immer wiederkehren?
„Wenn wir in der Geschichte zurückblicken bis zum Dritten Reich und dessen Zusammenbruch, haben wir in Deutschland beispielsweise nie mehr als fünfzig Jahre Frieden gehabt. Erst durch den totalen Zusammenbruch, ist es möglich geworden, zur Ruhe zu kommen und etwas Neues wachsen zu lassen. Das ist ein großes Thema. Ein anderes ist die Freiheit, die rund um den Erdball eine Rolle spielt. Dann natürlich die Liebe und das Wachstum auf der Evolutionsspirale und auf der Bewusstseinsebene. Wir können an der Pattsituation nach der Bundestagswahl deutlich erkennen, dass es uns nach wie vor an Bewusstsein fehlt. An Menschen, die sich erkennen und fragen: Wer bin ich? Wo komme ich her? Wo will ich hin und wie hängt alles zusammen? Diese Informationen, die schon da sind, aufgreifen und weitergeben.“

Sie bezeichnen eine Traumatisierung als „Segen“ und als „notwendig“, damit die Seele sich entwickeln kann. Also sollte man Lebensthemen immer als Lektion annehmen?
„In jedem Fall! Das ist sogar sehr wichtig. Ich erlebe in meiner Praxis immer wieder, dass sich viele Menschen in einer Sackgasse befinden, obwohl sie sich bemüht haben. Aber an was liegt es? Sie haben sich um bestimmte Lebensthemen herumgemogelt. Das trifft man übrigens sehr oft in der spirituellen, esoterischen und therapeutischen Szene an. Da ziehen immer wieder nicht gereifte Seelen gerade die Menschen an, die nicht wirklich weitergehen wollen. Und die dann lieber so einen Lehrer wählen, als einen, der ihnen wirklich weiter hilft. Ich nenne mal ein Beispiel: Man macht vielleicht lieber Yoga – obwohl Yoga an sich eine wunderbare Sache ist und im Grunde auch hilfreich – aber, um in den Kern vorzudringen, ist es wie Gurken auflegen. Es bringt einen dabei einfach nicht weiter. Die Wandlung und Schönheit kommt immer von innen.“

Können Sie ein Beispiel für ein Lebensthema nennen?
„Im Berufsleben kommt man beispielsweise immer wieder an den gleichen Typus von Kollegen oder Chefs, die solange auftauchen, bis man dieses Lebensthema aufgelöst hat. Ich mache so genannte Quantensprung-Seminare, die über fünf Tage gehen und die den Leuten Bewusstseinswerkzeuge an die Hand geben sollen, ganz praktisch zu erlernen, dass ich in diesem Bewusstsein bleiben und durch die Innenschau erkennen kann, wie ich dieses Wissen in den Alltag integriere. Und zwar nicht nur während des Seminars in der Gruppe, sondern auch danach. Lebensthemen wirken immer. Die oberste Verantwortung für alles, was passiert, hat jeder für sich selbst, weil er dieses Lebensthema in einer anderen Dimension gewählt hat. Dazu hat sich die Seele die Eltern, die Zeitschiene und das Umfeld ausgesucht. Wenn man jetzt nach den Prägungsjahren, dem Lebensthemen-Spannungsbogen sozusagen seine eigene Welt aufbricht, dann ist es so, dass die Lebensthemen immer wieder aus der inneren Schatzkiste auf die Lebensbühne drängen. Es werden zwangsläufig Dinge passieren, die einen in die Transformation führen.“

Wie sind Sie den ausgerechnet auf den Begriff Quantensprung gekommen? Denn der ist per definitionem nicht gerade groß.
„Es ist so, dass das, was groß erscheint, nur ein kleiner Schritt ist. Das was unerreichbar scheint, ist im Grunde ganz einfach. Die Transformation an sich ist nicht schwer, man muss es nur wirklich tun. Wenn man sich bewusst in der Innenschau erkennt, dann kann man sehr schnell zu dem werden, der man eigentlich sein möchte und der man im Inneren eigentlich schon längst ist und damit auch in das Christus-Bewusstsein oder die Buddha-Natur aufbrechen.“

Wie läuft eine Sprechstunde oder ein Seminar bei Ihnen ab?
„Es beginnt mit einem Gespräch, bei dem ich Informationen aus der Aura lese. Dabei mache ich mich möglichst frei, um als Kanal zu dienen. Es kommen Sachen zur Sprache, die durch mich geleitet werden, so wie das mit dem Bücherschreiben ist. Es ist weniger die Überlegung, als ein Folgen der inneren Stimme und der Verbundenheit nach Oben. Das schöne an dem von mir entwickelten Ansatz ist, dass er kurze Therapiezeiten ermöglicht. Meist können wir miteinander schon die wichtigsten Lebensthemen aufzeichnen. Danach besprechen wir, wie man das umsetzen kann und danach folgt die Integration in den Alltag als nächster Schritt. Dazu biete ich weitere Therapiesitzungen an, die ich eher als Coaching verstehe, um immer dann, wenn der Klient das Gefühl hat, ein Gespräch hilft ihm weiter, nachzuforschen wo diese alten Themen und Mechanismen stecken, in welchem Gebaren und in welchen Handlungsimpulsen.“

Sie beschreiben in Ihrem Buch Rückfälle und sagen, dass es Menschen gibt, die so dicht machen, dass Sie nicht mehr an sie herankommen. Woran liegt das?
„Das liegt daran, dass diese Abwehrmechanismen, der Verstand und das, was Angst macht so stark sind, dass man meint, da nicht mehr weitergehen zu können oder zu müssen. Wir identifizieren uns ja sehr stark mit dem, was durch die Prägung der Gesellschaft und anderer Umstände aus uns geworden ist. Aber wir müssen lernen, dass diese Grenzen nicht gelten. Andernfalls leben wir nur ein sehr begrenztes Leben, in Enge und der Angst, dass uns nichts anderes gelingen wird. Man schafft sich dann gern einen Sicherheitsbereich. Dieses Gefängnis, denn nichts anderes ist es ja, wollen wir nicht für eine grenzenlose Freiheit aufgeben. Kommt man an diese Menschen heran und spricht die Verneinung an, dann bauen sie die Mauern nur noch höher auf. Das dies so häufig vorkommt, hat auch damit zu tun, dass wir in einer Gesellschaft leben, die so unaufgeklärt über solche Dinge ist. Wenn wir schon durch die Schule und das Elternhaus mehr darüber erfahren würden, was Lebensthemen sind, dass wir auf der Welt sind, um etwas bestimmtes zu tun, dann sähe vieles anders aus. Das größte Problem der Menschheit ist, dass sie viele Dinge, die auf dem Tisch liegen, nicht sehen will, um Altes aufrecht zu erhalten.“

Warum fällt es Menschen mit spirituell-religiöser Vorbildung so schwer, gerade diese Schlüsse zu ziehen?
„Sie haben häufig einen viel zu verstellten Blick. Die meisten suchen sich Therapeuten, Gurus, Lehrmeister oder Methoden, wie Universumsbestellungen, die vordergründig nach Hilfe ausschauen. Sie fühlen sich da sicher, glauben damit weiterzukommen, erkennen nicht, dass es sich dabei nur um ein Scheinweiterkommen handelt, denn der Kern hat sich nicht verändert. Meine Begeisterung von plakativer Publikums-Spiritualität hält sich sehr in Grenzen. Bei Yogalehrern erlebt man das auch häufig. Die Menschen versuchen die verzwicktesten Bewegungen, geben sich dem Om hin und glauben, ihre Mitte zu finden. Wenn man sie dann aber nach der Stunde im Seminarhaus bei der Essensausgabe beobachtet und erlebt, wie sie sich gegenseitig zur Seite drängeln, nur weil sie schneller ihren Pudding haben wollen, dann weiß man ganz genau, wo diese Leute stehen, nämlich an ihrem niedrigsten Level. Viele drücken sich einfach davor, die entscheidenden Schritte zu machen in ihre Gesundung und Freiheit.“

Sie gehen in Ihrem Buch und im Interview mit spirituellen Lehrern und Meistern kritisch um. Wie kann der Suchende denn erkennen, ob er einen Erleuchteten vor sich hat oder nicht?
„Es fängt schon mit einem guten Therapeuten an. Es gibt viele Therapeuten, die ihre eigenen Lebensthemen noch nicht erarbeitet haben und mit diesem Schatten dann andere therapieren wollen. Deshalb sind die wenigsten Therapeuten wirklich hilfreich. Mit denen, die sich als erleuchtet erklären, verhält es sich ebenso. Ein guter Therapeut gibt dem Klienten die synergetische Unterstützung, die er braucht, um zu wachsen und den Raum dafür. Die vielen Satsang-Lehrer sind Boten eines auf Konkurrenzdenken basierenden alten Systems. Sie leben nach dem Prinzip Meister und Schüler. Wobei der Schüler nie die Meisterebene erreichen kann. Beispielsweise kann ein meditatives Sitzen in einem Energiefeld nur so gut sein, wie die Meditation für den Rest des Tages wirkt. Wenn ich meditiere und diese gute Energie spüre, dann ist es eine Sache. Aber – um bei meinem vorherigen Beispiel zu bleiben – wenn ich dann an der Essensausgabe gehe, stellt sich heraus, wo ich wirklich stehe. Ich bin in der Forschungsarbeit vor allem deswegen so in die Tiefe gegangen, weil ich eben diese Verhaltensweisen an der Essensausgabe nach einem Seminar – um im Bild zu bleiben – immer wieder beobachtet habe. Ich habe mich gefragt, das kann es doch nicht gewesen sein. So viel Therapie, so viel Meditation, so viele weise Worte und die Leute sind immer noch so beieinander. Ihre Angst ist so groß, dass ihnen keiner zu nahe kommen kann. Für mich ist der entscheidende Faktor aber immer die Menschlichkeit und die Frage, wie gehe ich mit dem Nächsten um.“

Können Sie unseren Lesern erklären, was die Buddha-Natur ist?
„Das ist unser innerster authentischer Seelenkern, der nicht von außen installiert werden kann. Es ist vielmehr so, dass sich bestimmte Sachen wie bei einer Zwiebel abschälen bis der Kern sichtbar wird. Und in diesem Kern schwimmen wir sozusagen im Sein. Dieses Sein entspricht dem Gehen mit dem Lebensfluss. Das heißt in der Stimmigkeit, im Handeln und im Bewusstsein sowie weiterhin in der Innenschau, die Schatten aufspürt, die sich vielleicht irgendwo wieder angesammelt haben, streifen wir nach und nach unser eigentliches Ich zugunsten des Seins ab.“

Was passiert, wenn ich die Buddha-Natur erreicht habe?
„Das ist nicht einfach. Das ist eine Sache, mit der ich mich beschäftige und es ist gut, wenn einen jemand dabei begleitet, der sich damit auskennt. Weil wir uns oft bildlich oder innerlich energetisch durch Halluzinationen etwas vormachen. Aber es gibt die Möglichkeit die Dinge als das zu erkennen, was sie sind und zwar für jeden individuell. Dafür gibt es eine Art Roadmap. Beispielsweise hat Siddharta Gautama sein Königreich verlassen, hat sich über Jahre gemartert, um dahin zu kommen wo er glaubte hinzumüssen. Irgendwann hat er erkannt, es geht nicht mehr, ich kann nicht mehr, das hilft alles nicht. Er hat dann alles losgelassen und ist einfach im Sein angekommen ohne das ganze Drumherum, was er vorher glaubte brauchen zu müssen.“

Wie war es denn bei Ihnen, wie sind Sie zu Ihrer Buddha-Natur gekommen?
„Ich bin lange Zeit bei einem Meister gewesen und habe seit meinem 12. oder 13. Lebensjahr gelernt das Leben und mich zu hinterfragen. Ich wollte immer hinter die Kulissen schauen. Ich hatte das Glück, viele Worte zu hören, Meditationen kennen zu lernen und durch Therapien zu gehen. Irgendwann habe ich gemerkt, irgendwas verändert sich. Ich konnte noch nicht mal genau sagen was. Ich habe mich zurückgezogen, um dem nachzuspüren, was sich plötzlich anders anfühlt. Auch in meiner Arbeit als Therapeut habe ich gemerkt, dass sich da etwas verändert. Ich spürte mehr Klarheit und Eindeutigkeit. Ich fühle mich wie ein hohler Bambus auf dem die Melodie gespielt wird, die für denjenigen, der mir gegenübersitzt wichtig ist. Das Alte – wer ich als Kind meiner Eltern war – fiel von mir ab. Daraus stieg ein neues Bewusstsein hervor, das nicht mehr dem widerspricht, was ich den Menschen in meinen Therapiestunden, Gruppenseminaren oder in den Büchern vermittle. Diese neuen Erkenntnisse und Werte versuche ich weiterzugeben. Ich bin also nicht jemand, der zum Beispiel vor dem Klienten das Nichtrauchen predigt und sich hinter seinem Rücken eine ansteckt. Privat, beruflich, freundschaftlich ist für mich alles eins.“

Das Interview führte Claudia Hötzendorfer

Buchtipps:
Satyam S. Kathrein
Leben wie ein Buddha
Allegra, 390 S., 24,- Euro (mit CD)
ISBN: 3-7934-2008-6
Satyam S. Kathrein
Erlösung der Lebensthemen
Ullstein, 381 S., 8,95 Euro
ISBN: 3-548-74190-8

Weitere Infos und Kontakt:

Neo Holistic Institut
Zentrum für Gesundheit und Bewusstsein
Germaniastr. 10
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Tel.-Hotline: 0 89/33 89 33
Homepage: www.neo-holistic-institut.de

(Das Interview erschien im Magazin Visionen 01./2006.)

© Claudia Hötzendorfer 2006 – Silent Tongue Productions