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Interview: Professor Dr. Lothar Seiwert

Sie sprechen in Ihrem aktuellen Buch Simplify your Time vier Grundtypen (Exakt-, Turbo-, Manager- und Ideentyp) an, die unseren Umgang mit der Zeit charakterisieren. Sind die immer so klar erkennbar oder gibt es vielmehr auch Mischtypen?

„Selbstverständlich gibt es auch Mischtypen. Ich bin selber eine Mischform zwischen Ideen- und Turbotyp. In früheren Jahren habe ich mich sehr intensiv mit solchen Persönlichkeitsanalysen beschäftigt. Die meisten gehen auf C. G. Jung in den 1920er Jahren zurück. Im Buch finden Sie natürlich nur eine Vereinfachung. Menschen sind selbstverständlich viel differenzierter und komplizierter. Aber für eine grobe Einteilung reichen diese vier Typen völlig aus. Es ist wie bei den vier Himmelsrichtungen. Wenn ich irgendwo hin will, geben sie mir eine grobe Orientierung. Für das Feintuning brauche ich ein genaueres Navigationssystem. Mir ging es allein darum typspezifische Tipps zu geben, um die Leser nicht alle über einen Kamm zu scheren. Denn für jeden bedeutet Planung, Pünktlichkeit oder Prioritäten setzen etwas Unterschiedliches. Es gibt Menschen, die das unheimlich gerne machen und vor lauter Planung nicht zur Umsetzung kommen. Die Typisierung ist daher nur als kleine Hilfe und Orientierung gedacht. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.“

 

Wie setzen Sie Ihr Wissen um den optimalen Umgang mit der Zeit selbst um?

„Niemand ist perfekt. Es gelingt mir nicht immer, aber immer öfter. Insofern mache ich weitgehend alles so, wie ich es verkündige, lehre und schreibe. Im Laufe der Jahre mit zunehmender Gelassenheit.“

Nehmen wir an, die Menschen würden vermehrt Ihr Motto smart work statt hard work umsetzen. Wie würde sich das auf unsere Wirtschaft aber auch im Umgang der Menschen miteinander auswirken?

„Mehr Zeit, weniger Stress, mehr Erfolg.“

Da müsste Ihnen die Wirtschaft doch die Bude einrennen.

„Leider ist es nicht so. Weil viele besser wissen, wie es nicht geht und immer gleich Gründe dagegen parat haben.“

Prioritäten setzen und das Wichtigste zuerst ist eine Ihrer Empfehlungen. Wie lässt sich das umsetzen, wenn man diese Entscheidungen nicht unbedingt selbst treffen kann – also ein Chef vorgibt, was zu schaffen sein muss?

„Meine Empfehlung ist ganz einfach: greifen Sie zum äußersten: Reden Sie miteinander! Das meine ich sehr ernst, denn Zeitprobleme sind häufig Prioritätenprobleme. Viele geraten schnell in die Opferrolle. Sie bekommen von ihren Chefs immer mehr aufgehalst. Manche haben sogar mehrere Chefs und jeder von denen hält das, was er gerade hat, für das wichtigste Problem auf dem Planeten Erde. Da kommt man schnell ins Rotieren. Aus dem Versuch heraus, es allen Recht zu machen, bekommt man schnell Stress und damit verbunden Magenbeschwerden und ähnliches. Deshalb empfehle ich konsequent den Klassiker: eine Prioritätenliste zu erstellen, was sowieso immer sinnvoll ist. Nicht jammern, ich habe so viel zu tun und sich von anderen anhören, sie schaffen das schon sondern setzen Sie die Prioritäten. Sagen Sie, das ist wichtig und dafür müssen drei Dinge gestrichen oder von anderen übernommen werden. Nur so komme ich aus dieser Opferrolle, immer mehr aufgedrückt zu bekommen heraus.“

Was kann man tun, um sich im Arbeitsleben und im Privatleben nicht zu verzetteln?

„Ich sollte mir immer Pufferzeiten einräumen und mir Pausen zugestehen. Bevor ich mich verrückt machen lasse. Brauche ich Leerläufe, damit ich nicht alles auf den letzten Drücker mache. Sonst gerate ich in Stress. Viele neigen dazu, sich zu viel vorzunehmen und eine falsche Zeitschätzung zu haben. Andere neigen dazu, zu optimistisch zu planen und dabei zu vergessen, dass die Realität eine andere ist. Wenn ein Termin beispielsweise länger dauert, als ich dachte, gerate ich unter Stress.“

Wann ist Zeitmanagement sinnvoll und wann eher nicht?

„Ich muss nicht alles und jedes verplanen. Ich zeige manchmal bei Seminaren einen Ausschnitt aus der RTL-Kult Comedy Samstagnacht. Zwei Comedians mimen eine Situation. Beide sind sehr beschäftigt, vergleichen ihre Kalender, um einen Termin für den Beischlaf zu vereinbaren. Wenn ich es übertreibe, ist Zeitmanagement natürlich nicht sinnvoll.“

Gerade Frauen die Beruf und Kinder unter einen Hut bringen müssen, haben es da schwer, was raten Sie in diesem Fall?

„Englische Studien haben gezeigt, dass bei so genannten Power Couples (beide stehen im Beruf), überwiegend die Frauen die Verantwortung für den Haushalt hatten oder wenn Kinder und Haustiere krank wurden zum Arzt fuhren. Solche Frauen sind in Sachen Zeitplanung oft effektiver als mancher Topmanager. Planung hat im Deutschen oft einen negativen Beigeschmack. Denn es klingt wie eine Bürde oder lästige Pflicht. Planen heißt nicht auf die Minute, sondern meint, wann möchte ich etwas machen, wann gönne ich mir eine Pause. Sie wissen auch, wenn ich mich spontan entscheide ins Theater zu gehen, kann es sein, dass ich keine Karten mehr bekomme. Also macht es Sinn, sie ein paar Tage vorher zu bestellen.“

Bald haben wir wieder einen Jahreswechsel und viele haben sicher gute Vorsätze. Die schnell dem Alltagstrott zum Opfer fallen. Ihr Tipp, dass dies nicht passiert?

„Keine vagen und nebulösen Absichtserklärungen formulieren. Sondern konkret aufschreiben, was Sie wollen. Dafür gibt es verschiedene Formen, die ich auch in meinem Buch ausführlich vorstelle. Die härteste lautet, setze dich hin und schreibe deine persönliche Grabrede. Das haben zwei amerikanische Psychologen erdacht.“

Claudia Hötzendorfer

Buchtipps: (Auswahl)

  • Lothar Seiwert/Werner Tiki Küstenmacher
    Simplify your Time
    (Campus 2010, 327 S., € 19,95)
  • Lothar Seiwert
    Noch mehr Zeit für das Wesentliche
    (Mosaik 2009, 288 S., € 9,95)
    Die Bären-Strategie – In der Ruhe liegt die Kraft
    (Heyne 2007, 188 S., € 7,95)

Weitere Informationen und Kontakt

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